* 24. Juni 1908
† 1. November 1942
von Winfried Lüdemann
Essay
Mit seiner sich an historischen Vorbildern orientierenden, dennoch aber neuartig klingenden geistlichen und weltlichen Chor- und Orgelmusik fand Hugo Distler in der Kirche und in der Jugendmusikbewegung begeisterte Aufnahme und etablierte sich damit – wachsender politischer Repressalien ungeachtet – als einer der wichtigsten Erneuerer der evangelischen Kirchenmusik. Seine übrige Instrumentalmusik, die den geringeren Teil seines Œuvres ausmacht, stieß dagegen zunächst auf weniger Resonanz, weil sie in den erwähnten Kreisen, nicht zuletzt auch aus NS-Perspektive, als zu modern empfunden wurde und ein gespaltenes Echo hervorrief. Durch Erstveröffentlichungen, Neueinspielungen und wissenschaftliche Aufarbeitung intensivierte sich seit den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Auseinandersetzung mit Distlers Instrumentalwerk. Daneben entdeckten Spitzenchöre die Feinheiten und anspruchsvolle Virtuosität in Distlers Chormusik für sich neu, wodurch sich die Rezeption dieser Werke von der Laienmusikpflege in den Bereich der Kunstmusik verlagerte. Hundert Jahre nach der Geburt des Komponisten scheint sich nun endlich eine angemessene Würdigung seines Gesamtschaffens wie seiner facettenreichen Persönlichkeit und seines Weges, den er als Künstler im Dritten Reich einzuschlagen suchte, anzubahnen.
Anhand früher Selbstzeugnisse wie auch erhaltener Formenlehre-, Kontrapunkt- und Kompositionsübungen kann Distlers erstaunlich rascher kompositorischer Werdegang recht genau nachgezeichnet werden. Während er in seiner ...